Ein Hauch von Wien, eine Reise durch die Musikgeschichte und eine Kapelle, die das Erbe der Hoch- und Deutschmeister mit Stolz weiterträgt – all das bot sich den Gästen des Eichsfelder Kulturhauses in Heilbad Heiligenstadt. Am 330. Jahrestag der Gründung dieses traditionsreichen Wiener Musikensembles brachte die Kapelle nicht nur den Wiener Charme, sondern auch eine beeindruckende musikalische Zeitreise ins Eichsfeld.
Die Mehrzahl der Gäste gehörte zu einer Generation, die diese Musik als festen Bestandteil ihrer Kultur erlebt hat und sie mit großer Begeisterung feierte. Ein älterer Herr im Publikum scherzte: "Zusammen bringen wir hier bestimmt einige Jahrhunderte an Lebenserfahrung in den Saal".
Im Ensemble der Original Hoch- und Deutschmeister, das sich in prächtigen historischen Uniformen präsentiert, vereinen sich Musiker aus ganz Österreich – ergänzt durch einen pensionierten Militärmusiker aus England und einen Flötisten aus Belgien. Gemeinsam bilden sie eine traditionsbewusste Truppe, die mit Leidenschaft und Hingabe die Musikgeschichte lebendig hält. Die Hoch- und Deutschmeister sind weit mehr als eine Blaskapelle – sie sind lebendige Geschichtsträger zwischen Wiener Schmäh und musikalischer Perfektion. Sie tragen die berühmte Deutschmeisterfahne mit dem kaiserlichen Doppeladler und repräsentieren stolz die musikalische Tradition Wiens und Österreichs.
Was sie besonders auszeichnet, ist die authentische Instrumentierung: Helikon, Ventilposaune, Es-Trompete – allesamt historische Instrumente, die in der sogenannten „hohen Stimmung“ gespielt werden, die einen Halbton über der heute üblichen liegt. Um diese Tradition zu bewahren, werden sogar Spezialanfertigungen gebaut. Nicht nur das Erscheinungsbild, sondern auch das Repertoire ist historisch geprägt. Die Musiker spielen fast ausschließlich Werke, die einst von österreichischen Militärkapellen dargeboten wurden. „Die Menschen sollen hören, wie es früher geklungen hat“, erklärt Kapellmeister Reinhold Nowotny, der seit 1999 die musikalische Leitung innehat. Besonders wichtig sei dabei das kameradschaftliche Miteinander im Ensemble – eine Gemeinschaft aus 25 Musikern und Fahnenträger, die auf Tournee wie eine Familie zusammenwächst. Der Jüngste in ihren Reihen ist gerade einmal 20 Jahre alt, der Älteste feierte am Tag des Konzerts seinen 82. Geburtstag.
Die Hoch- und Deutschmeister sind ein Ensemble, das auf höchste musikalische Qualität setzt – und dennoch ihren ganz eigenen Wiener Schmäh mitbringt. Raimund Sulz, der 32-jährige Obmann, und Kapellmeister Nowotny gaben am Rande bereitwillig Auskunft. Sulz erzählte, dass er jedes Mal Gänsehaut bekomme, wenn beim Deutschmeisterregimentsmarsch alle im Publikum aufstehen und begeistert mitklatschen.
Für Nowotny bedeutet Tradition aber nicht nur die Pflege historischer Musik – er selbst komponiert moderne Stücke für besondere Anlässe. Ein Beispiel ist sein Werk „Schöne Stunden“, das er einer Weinbauernfamilie aus seinem Heimatdorf widmete und gemeinsam mit Nadja Plattner präsentierte. Nadja Plattner verzauberte das Publikum mit ihrer ausdrucksstarken Sopranstimme, die sich mühelos in den Klang der Kapelle einfügte und den Stücken eine besondere emotionale Tiefe verlieh. Ihr Gesang, kraftvoll und zugleich fein nuanciert, machte jedes ihrer Soli zu einem Gänsehautmoment.
Die Musiker tragen mit Stolz ihre Abzeichen und Medaillen – keine Dekorationen vom Flohmarkt, sondern Ehrungen für langjährige Verdienste als Musiker oder Funktionäre. „Das ist Tradition, das ist ein Dank an jene, die diese Musik mit Herzblut weitertragen“, so Sulz. Vom ersten Stück an wurde mitgeklatscht, bei bekannten Melodien sogar mitgesungen. Die Musik weckte in den Herzen der Gäste nicht nur Erinnerungen an vergangene Zeiten, sondern ließ sie förmlich aufblühen. Die Musiker spürten diese Energie und gaben alles: Perfekte Harmonie, brillante Soli und ein Zusammenspiel, das nur durch jahrelange Erfahrung und Leidenschaft möglich ist.
Besonders beeindruckend war das Stück „Moulinet“ von Josef Strauß, bei dem das Publikum das Mühlrad klappern und das Wasser rauschen hören konnte – bis zum letzten Tropfen.
Zwischen den Stücken sorgte Kapellmeister Nowotny immer wieder für kleine Anekdoten: Dass Josef Strauß nicht nur Musiker, sondern auch ein Erfinder war, der eine Straßenkehrmaschine entwickelt hat. Dass Johann Strauß einst sagte: „Ich bin der berühmtere, aber mein Bruder Josef ist der talentiertere.“ Und dass Kaiserin Sissi tatsächlich ein Tattoo hatte – eine Anekdote, die für Staunen im Saal sorgte.
Nach einer humorvollen Anekdote aus dem Tourleben gefragt, erzählte der Kapellmeister: Ein Musiker vermisste eine Schraube vom Ventil seines Instruments, dachte, er hätte sie beim letzten Konzert verloren – und fand sie nach 100 Kilometern in seinem Schuh wieder.
„Ein Musiker mit leerem Magen spielt nicht gut“, deshalb wurden die Künstler hinter der Bühne mit Soljanka und Hackbraten versorgt.
Auf die Frage, warum keine Frauen im Ensemble spielen, erklärte Sulz: „Wir wollen das historische Erscheinungsbild bewahren.“ Allerdings, so fügte er schmunzelnd hinzu, sei der Vereinsvorstand weiblicher geprägt – dort sind immer drei bis vier Damen vertreten.
Mit Standing Ovations, nicht enden wollendem Applaus und dem lautstarken Wunsch nach Zugaben verabschiedete das Publikum die Original Hoch- und Deutschmeister. Die Kapelle, die regelmäßig für die Familie Habsburg spielt und erst vor kurzem bei den Beerdigungen von Otto Schenk und Richard Lugner auftrat, bewies eindrucksvoll, dass Tradition und Musik auch nach Jahrhunderten nichts von ihrer Faszination verloren haben.
Nach dem Konzert übernachteten die Musiker im Deutschen Haus in Dingelstädt, bevor es nach 3 Konzerten am Sonntag wieder nach Hause ging zum Arbeitsplatz oder zum Studium. Ein Abend, der die Musikgeschichte Wiens ins Eichsfeld brachte und eindrucksvoll bewies: Tradition ist lebendig – solange es Menschen gibt, die sie mit so viel Herzblut weitertragen.


